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Dr. Thomas A. Hammer, Germanist, Redaktor am Schweizerdeutschen Wörterbuch Idiotikon sandte mir am 16. Februar 2008 als Antwort auf meine Anfrage freundlicherweise folgende Auskunft über die Flurnamen Pünterswis und
Bochslen: „Leider habe ich für die beiden Namen keine historische Belege auffinden können, die für eine saubere Deutung unbedingt notwendig wären. Dennoch sei ein Versuch gewagt.“
Pünterswis:„In der Pünterswis steckt der Zürcher Familienname Pünter, der hier sozusagen selbstredend seinen Besitz markiert.“
Bochslen: „Schwieriger ist die Deutung von 'In der Bochslen'. Das Schallverb bochslen besagt 'poltern, rumpeln' (Idiotikon Bd. 4, 998/9). Im Appenzellischen nannte man eine bei nassem Wetter mit entsprechendem Geräusch sich aufblähende Quelle in einer Wiese einen Bochsler (ebd. 999). Hier könnte nun der Schlüssel für unsren Namen liegen, indem hier einst ebenfalls eine solche temporäre, aber bei Regenwetter gut vernehmbare Quelle lag. Philologisch gesehen ist Bochslen eine sogenannte deverbative n-Bildung zum eben genannten Verb bochslen, ähnlich wie Jucken zu schwzdt. jucken (womit eine anspringende Halde oder Anhöhe bezeichnet wird).“
Weitere Informationen zu den Flurnamen Pünterswis und Bochslen
Pünterswis: Am 1. März 2008 nahm Drechslermeister Thomas Meier, Hof Breitlen in Hombrechtikon als früherer Miteigentümer der Pünterswis Stellung zur Deutung von Dr. Thomas A. Hammer: Diese Deutung sei neu für ihn. Er habe gedacht, dass die früheren Reben in der Pünterswis (Wildkarte 1843/51) später vielleicht als Pünten bewirtschaftet worden seien und der Name Pünterswis so zu deuten sei. Die Benennung nach dem Familiennamen Pünter scheine ihm aber auch möglich zu sein, doch kenne er aus der Geschichte des Hofes Breitlen den Familiennamen Pünter nicht.
Am 20. Februar 2008 befragte ich Ruth Billeter (1926-2012) zu diesem Flurnamen. Die Familie von Ruth Billeter (1926-2012) lebt seit Ende des 19. Jahrhunderts im „Billeterhaus in der Bochslen“. Dieses Haus steht noch heute und hat die Adressse Rietstrasse 5. Das Land zu diesem Hof grenzte früher direkt an die Pünterswis. Ihre Familie habe den Ausdruck Pünterswis nicht gebraucht; man habe von der Meierswis gesprochen, denn Eigentümerin sei doch seit jeher die Familie Meier gewesen.
Bochslen: Weder Thomas Meier noch Ruth Billeter (1926-2012) wissen, was der Name Bochslen bedeutet. Die Bezeichnung nach dem Geräusch von Quellen nach Regen sei wohl möglich, denn die Bochslen ist ein feuchtes Gebiet am südlichen Abhang des
Bochslenholzes.
Waffenplatzstrasse: Die Familie von Ruth Billeter (1926-2012) nannte die heutige Waffenplatzstrasse Lutikerweg. Der Familie von
Thomas Meier war der Name Waffenplatzstrasse nicht geläufig, man sprach einfach von „der Strasse“. Vermutlich sei der Strassenname Waffenplatzstrasse
durch den Gemeinderat bei der Einführung der Gebäudeadressierung geschaffen worden. Das Schützenhaus steht heute auf dem Hof Breitlen; die Schiessöffnungen sind zugemauert worden. Thomas Meier vermutet den früheren Standort der Schützenscheiben bei der äusseren rechten Ecke des Waldrandes. Dort befindet sich eine steile Aufschüttung und dahinter eine leichte Mulde, dies könnte der geschützte Platz für die Männer gewesen sein, welche die Lage des Schusses auf der Scheibe anzeigen mussten. Schussweite 270
Meter. Weitere Angaben stehen in Kapitel "Schützenhaus".
Links: Wildkarte 1843-1852. Rechts: Landeskarte 2000. Beide Karten haben denselben Massstab, denselben Ausschnitt und dieselben farbigen Ergänzungen:
Rot eingerahmt sind: Hof Breitlen von Thomas Meier (links, Hof Breitlen 5) und früheres
Wohnhaus von Ruth Billeter (1926-2012) (rechts, Rietstrasse 5).
Roter Pfeil: Schusslinie vom Schützenhaus Breitlen zur Bochslen.
Blaue Buchstaben W-W: Waffenplatzstrasse.
Violette Buchstaben P und B: Pünterswis und Bochslen. Die Begrenzungen der Gebiete habe ich nach eigenem Ermessen eingetragen.
Hombrechtikon, 4. März 2008
Aus geologischer Sicht ist unsere 'Bochslen' ein Nagelfluhgebilde. Die Entstehung dieser Nagelfluh (Ablagerung, Verfestigung, Schichtung) reicht in die erdgeschichtliche Formation des 'Tertiär' zurück. Also in das Zeitalter, in das ja auch das "Aufblühen der Säugetiere und Vögel" verlegt wird.
Und dann, Jahrtausende später, nämlich nach dem Rückzug der letzten Gletscher, siedelte sich eine vielfältige Pflanzenwelt auf der leicht zerklüfteten Nagelfluhkuppe an. Auf ihrer Südseite breitete sich ein sumpfiges Weideland aus; am Nordfuss sammelte sich ein kleiner See mit einem üppig wuchernden Ried an. Ein unvergleichliches Paradies für grosses und kleines Getier!
Aber bei Wind und Wetter, bei klirrender Kälte oder sengender Hitze waren aus diesem Pflanzen- und Tierreich oft fürchterliche und unfassbare Töne und Geräusche vernehmbar. Da waren nach menschlichem Ermessen überirdische Kräfte im Spiel. Die angst- und schreckerregenden Erlebnisse mussten unbedingt weiter erzählt werden. Man benutzte dabei den Sammelbegriff 'Bochslen' und sprach vom 'Bochslenholz'.
Das Wort 'Bochslen' lässt sich am besten analysieren, wenn wir es in seine zwei Silben zerlegen: 'Bochs - len'. Die Stammsilbe 'Bochs-' kann nämlich lautlich und inhaltlich folgenden Ausdrücken aus dem germanischen Sprachbereich gleichgestellt werden: englisch 'old Poker', der Teufel; englisch 'Bogey', ein Gespenst; irisch 'Pooka', englisch 'Puck', ein Kobold; niederländisch 'Spook' und deutsch 'Spuk', gespenstisches Treiben; mundartlich 'Humbug', Unsinn, Unfug.
Der Endsilbe '-len' fällt nur sprachliche Bedeutung zu. Sie wandelt nämlich das Namenwort zu einem Tätigkeitswort ab: es bochselt, geistert, spukt, treibt Unfug.
"Blibt der Tüfel schon und bölderet und
bochslet, so mag er doch dir nicht schaden."
(Heinrich Bullinger, Reformator)
Was Wunder, dass das 'Bochslen' mit der Dunkelheit in Zusammenhang gebracht wurde? Da war es sicher kein Zufall, dass die 'Bochslennacht' in den Zeitraum der Wintersonnenwende festgesetzt wurde. War es die Sehnsucht nach Licht, wenn unsere germanischen Vorfahren glaubten, in jener Nacht ihren Gott Donar mit wildem Heer auf feurigen Wagen durch die Lüfte brausen zu sehen? Entsprach das jeweilige Höhenfeuer - vielleicht auch auf unserer 'Bochslen' - einer Huldigung jener Gottheit? Die Weinfelder Schuljugend feiert die 'Bochslennacht' (letzter Donnerstag vor Weihnachten) durch einen Umzug mit fratzenhaft geschnitzten Räbenlichtern durch die Stadt.
Eigenartigerweise wurde das Brauchtum der 'Bochslennacht' auch nach der Christianisierung weiter gepflogen. Aber an Stelle des beschwichtigenden Feuerscheins trat das herausfordernde Lärminstrument:
"bochsel- oder klöpflinnächte,
von weihnachten bis dreikönige,
in welchen junge Leute an thüren
und fensterläden klopfen und
geschenke fordern."
(Scheffers Haltaus)
Auch unser Flurname soll bestimmt an ein mythologisches Ereignis erinnern: Lichterumzug, Höhenfeuer, Geistertanz, Hexenjagd. Der alljährlich inszenierte Räbeliechtli- Umzug im Gebiet der Waffenplatzstrasse kommt also der Wiederbelebung eines alten Brauches gleich.
Quellen: Bach: Deutsche Namenkunde; Bahlow: Geographische Namenwelt; Fester: Sprache der Eiszeit; Grimm: Deutsches Wörterbuch
Erläuterungen zu diesem Text
Jürg Vetter (1940-2013), Hombrechtikon, hat mir freundlicherweise diesen
phantasievollen Text zur Verfügung gestellt. Er wurde von Kurt Frei (1914-1989)
geschrieben, einem früheren Primarlehrer von Hombrechtikon.
Hombrechtikon, 28. Oktober 2008